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Wer war Benjamin Graham, der den Grundstein für den Erfolg von Warren Buffett legte?


Er legte den Grundstein für Warren Buffetts Erfolg: warum Benjamin Graham niemals Tesla-Aktien kaufen würde

VIDEO: Warren Buffett: Benjamin Graham's Principles "Absolutely Apply" In 2018
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Stimmt der Preis? Diese Frage sollte sich jeder Anleger stellen, so lautete das Credo des Investors und Ökonomen Benjamin Graham. Seine Anlagephilosophie hat bis heute viele Anhänger.

Benjamin Graham (links) ist als Erfinder des Value Investing in die Geschichte der Finanzmärkte eingegangen. Im Bild: Graham bei einer Anhörung im US-Senat im Jahr 1955.

Es ist die wahrscheinlich beste Metapher der Finanzmarktgeschichte. In seinem 1949 erstmals erschienenen Buch «The Intelligent Investor» beschrieb der Investor und Ökonom Benjamin Graham einen gewissen Mr. Market. Der ist ein zuvorkommender Typ, der zusammen mit einem Geschäftspartner ein Unternehmen besitzt. Tag für Tag taucht Mr. Market bei seinem Partner auf und teilt ihm mit, wie viel wert das Unternehmen in seinen Augen heute habe, und bietet ihm jedes Mal an, zum genannten Preis seinen Anteil zu kaufen.

Manchmal ist Mr. Market euphorisch und setzt den Unternehmenswert lächerlich hoch an, manchmal ist er panisch und würde nur einen sehr tiefen Preis bezahlen. Im Buch stellt Graham seinen Lesern die Frage: «Wenn Sie ein umsichtiger Geschäftsmann sind, lassen Sie dann zu, dass die täglichen Mitteilungen von Mr. Market Ihre Ansicht über den Wert Ihres Anteils bestimmen?» Selbstverständlich nicht, würden die meisten antworten.

Genau darin liegt die Stärke der Metapher: Wenn sich Anleger von den täglichen Kursschwankungen an den Aktienmärkten zu Käufen oder Verkäufen treiben lassen, dann hören sie auf Mr. Market, obwohl sie es eigentlich besser wüssten.

Graham ist 1976 verstorben, die Finanzmärkte sind gegenüber damals nicht mehr wiederzuerkennen: Börsengehandelte Indexfonds (ETF), Online-Trading, Kryptowährungen – all das gab es zu Grahams Zeiten noch nicht. Doch hat ein erstaunlich grosser Teil seiner Anlagephilosophie den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt überlebt. Grahams prominentester Schüler ist der selbst zum Star-Investor avancierte Warren Buffett. Er hat «The Intelligent Investor» als das beste je geschriebene Anlagebuch bezeichnet.

Im Grundsatz folgt Buffett bis heute dem von Graham erfundenen Ansatz des Value Investing. Dabei geht es darum, bei jeder Transaktion diszipliniert die zentrale Frage zu beantworten: Ist der Kaufpreis gerechtfertigt?

Eine Auswahl von Grahams wichtigsten Anlagegrundsätzen:

1. Kein Kauf ohne Sicherheitsmarge

Das zentrale Paradigma des Value-Investierens ist die Sicherheitsmarge: Du sollst niemals mehr bezahlen, als das Unternehmen wert ist, und wenn möglich weniger. Bei Aktien stellte Graham den Kaufpreis einer Aktie dem inneren Wert des Unternehmens gegenüber. Das ist keine esoterische Grösse. Graham analysierte systematisch die fundamentalen Finanzkennzahlen von Unternehmen, um die Ertragskraft, die Verschuldung, aber auch die Wahrscheinlichkeit künftiger Gewinnausschüttungen abzuschätzen. Anhand von Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis beurteilte er, ob die «Margin of Safety» genügend hoch ist. Sprich: ob der Preis stimmt.

Für Warren Buffett wurde die Sicherheitsmarge zu einem Eckpfeiler seines Erfolgs, wobei er Grahams Regeln neu interpretierte: So stieg Buffett Ende der 1980er Jahre mit mehr als einer Milliarde Dollar bei Coca-Cola ein, obwohl der Kaufpreis vom Standpunkt einer strikten Value-Betrachtung aus zu hoch war. Buffett sah das Kriterium der Sicherheitsmarge allerdings als erfüllt an, weil er an das Wachstumspotenzial des Getränkeherstellers glaubte. Bis heute besitzt seine Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway knapp 10 Prozent des Unternehmens, dessen Wert sich seit Buffetts Einstieg vervielfacht hat.

2. Nie spekulieren

Heutzutage würden viele Privatanleger in die Gruppe der Spekulanten fallen, wenn man Grahams strenger Kategorisierung folgt, und damit sind nicht nur die Käufer von Kryptowährungen gemeint. Zu den Spekulanten zählte Graham all jene Marktteilnehmer, die dann Aktien kaufen, wenn die Kurse steigen, und dann verkaufen, wenn sie sich nach unten entwickeln. Anleger, so befand Graham, sollten niemals eine Aktie kaufen, weil der Kurs gestiegen ist, oder sie verkaufen, weil er gefallen ist.

3. Wachstumsaktien meiden

Graham wäre folglich auch kein Freund von Tesla-Aktien gewesen, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis sich derzeit auf über 70 beläuft. Er warnte vor Wachstumstiteln, die zwar einen stark wachsenden Gewinn pro Aktie ausweisen, deren Kurs aber ein Vielfaches dieser Grösse beträgt. Natürlich könne man mit der richtigen Auswahl einzelner Aktien, die zu den richtigen Kursen gekauft und später nach einem grossen Anstieg und vor dem wahrscheinlichen Rückgang verkauft werden, Wunder vollbringen. «Aber der durchschnittliche Anleger kann dies ebenso wenig erwarten, wie dass Geld auf Bäumen wächst.»

Heute ist diese Sichtweise nicht mehr besonders populär. Wer in den vergangenen zehn Jahren in Aktien von Microsoft, Amazon oder Apple investierte, konnte sein Investment schliesslich vervielfachen. Thomas Heller, Anlagechef bei Belvédère Asset Management, hält Grahams Abwehrhaltung gegenüber Wachstumsaktien denn auch für zu kategorisch und verweist auf die Performance des MSCI-World-Value-Indexes, der in den über zehn Jahren seit der Finanzkrise gegenüber dem MSCI-Growth-Index einen schweren Stand hatte. «Innovative, stark wachsende Unternehmen kosten mehr. Sofern die Leitzinsen tatsächlich ihren Höhepunkt erreicht haben, dürften Wachstumsaktien gegenüber Value-Titeln weiterhin einen Vorteil haben.» Gleichzeitig betont Heller, mit der absehbaren Abschwächung des Wirtschaftswachstums könnten sich die Verhältnisse auch wieder zugunsten von Value kehren, da Wachstumsaktien in schwierigen Phasen meist stärker reagierten.

Seit der Finanzkrise lagen Growth- gegenüber Value-Aktien deutlich vorn

VIDEO: Ben Graham's Only Advice For Warren Buffett
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Indexierte Kursentwicklung seit August 1993

4. Auch ein wachsender Markt ist noch kein gutes Investment

Prognosen über das enorme Potenzial der künstlichen Intelligenz veranlassen derzeit viele Anleger, ihr Geld in Unternehmen wie den Chiphersteller Nvidia zu investieren, die in diesem Markt tätig sind. In diesem Kontext sei an die Warnung Grahams davor erinnert, wachsende Märkte automatisch als gute Anlagemöglichkeit zu sehen.

Als Beispiel nannte er die amerikanische Airline-Industrie, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein spektakuläres Wachstum vorhergesagt wurde. Obwohl die Zahl der Flugbewegungen Anfang der 1970er Jahre einen Rekordstand erreicht hatte, machte die Branche aufgrund von technologischen Problemen und einer übermässigen Kapazitätsausweitung hohe Verluste. Laut Graham war dies ein Beleg dafür, dass «selbst die hochbezahlten Vollzeitexperten der Investmentfonds die relativ kurzfristige Zukunft einer grossen und nichttechnischen Branche völlig falsch einschätzten».

5. Die meisten Anleger sollten sich defensiv verhalten

Wenn Graham sein Buch heute schreiben würde, würde er der grossen Mehrheit der Anleger vermutlich zum Kauf von ETF-Indexfonds raten. Graham zeigte sich überzeugt, dass das eingegangene Risiko an den Finanzmärkten nicht vom eigenen Vermögen abhängen sollte, sondern von der Bereitschaft des Anlegers, Zeit und Aufwand in sein Portfolio zu investieren. Wer diesen Preis nicht bezahlen wolle, dürfe auch keine überdurchschnittliche Rendite erwarten. Dabei sah er keinen Mittelweg: Entweder man hat das Wissen und die Disziplin, um Risiken einzugehen, oder man hat sie nicht.

Die meisten Anleger sollten sich demnach defensiv verhalten. Graham riet ihnen zu einer «angemessenen, aber nicht übermässigen» Diversifikation im Portfolio. Standardmässig solle man 50 Prozent, aber keinesfalls mehr als 75 Prozent in Aktien investieren, den Rest in Anleihen. Ausserdem bevorzugte er «grosse, prominente und konservativ finanzierte Unternehmen». Aktien sollten nur dann gekauft werden, wenn das Unternehmen über viele Jahre kontinuierlich Dividenden ausbezahlt hat. Der Anleger sollte sich ausserdem eine Obergrenze für den Preis setzen, den er für eine Aktie bezahlt, zum Beispiel nicht mehr als das 25-Fache des durchschnittlichen Gewinns pro Aktie während der letzten sieben Jahre.

Dazu gibt es auch andere Sichtweisen. Der Belvédère-Anlagechef Heller hält es für verfehlt, fixe Obergrenzen für Kurs-Gewinn-Verhältnisse festzulegen, um den Preis einer Aktie zu beurteilen: «Natürlich möchte jeder am liebsten nur 50 Cent auf den Dollar bezahlen. Das ist eine typische Einstellung für einen Value-Investor.» Ein besseres Vorgehen sei es, die entsprechenden Bewertungsgrössen innerhalb einer Branche zu vergleichen, um abzuschätzen, ob eine Aktie hoch oder tief bewertet ist. Allerdings rät auch Heller Anlegern zu einer eher passiven Strategie: «99 Prozent der Kleinanleger haben keine Chance, wenn es darum geht, Anlageperlen zu entdecken.»

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Author: Andrew Livingston

Last Updated: 1704508922

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Job: Biomedical Engineer

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